Karl Borromäus (1538-1584)
Kirchenreformer, Kardinal und Erzbischof von Mailand — und Zeitgenosse des Kamillus von Lellis
Der hl. Karl Borromäus, zwölf Jahre älter als Kamillus von Lellis (1550-1614), ist der Patron der St. Karl Borromäus-Kirche im Geriatriezentrum Am Wienerwald (dem früheren Versorgungsheim der Gemeinde Wien). Die Verehrung des großen Kirchenreformers wurde nicht zuletzt dadurch gefördert, dass der damalige viel verehrte und sozial hoch engagierte Wiener Bürgermeister Dr. Karl Lueger diesen Namen trug. Das Altarbild der Versorgungsheimkirche von Hans Zatzka stellt inmitten von Szenen sozialer Fürsorge Karl Borromäus als Kardinal und Bischof von Mailand dar. Zugleich war Karl auch ein großer Heiliger der Nächstenliebe, der für arme Menschen ein offenes Herz hatte. In den immer wiederkehrenden Zeiten von Pest und Hungersnot stand er Kranken und Sterbenden bei und organisierte für sie Hilfsmaßnahmen. Auf Kamillus von Lellis machte vor allem dieses soziale Engagement großen Eindruck und er war auch bei der Heiligsprechung Karls im Jahre 1610 dabei. Im Folgenden ein Lebensbild aus der Feder des Diakons Günter M. Lux.
Kindheit und Jugend
Begründer der Familie Borromeo war der Bankier Vitaliano Vitaliani, der den Familiennamen seiner Frau Margherita annahm und 1445 Graf von Arona wurde. Karl wurde am 2. Oktober 1538 als Sohn des Grafen Gilberto Borromeo und seiner Gattin Margherita (geborene Medici, nicht mit den Medici aus Florenz verwandt) auf der Burg Arona am Südwestufer des Lago Maggiore geboren. Seine Familie war vermögend. Er war mit den vornehmsten und einflussreichsten Familien Italiens verwandt oder verschwägert. Später als Erzbischof benutzte er diese Beziehungen, um der religiösen Erneuerung gegen alle Widerstände zum Durchbruch zu verhelfen. Schon früh verlor er seine Mutter. Aus familienpolitischen Erwägungen wurde er zum Kleriker bestimmt und erhielt mit zwölf Jahren Tonsur und Talar. Noch im selben Jahr wurde er (wie damals oft üblich) Kommendatar-Abt des Benediktinerkonvents San Gratiniano bei Arona. Von seinen Einkünften gab er schon den größten Teil an arme Menschen weiter.
Studienjahre mit höchstem Erfolg
1552 ging Karl an die Universität von Pavia. Im Unterschied zu seinen Mitstudenten, die eher das fröhliche bis zügellose Studentenleben im Sinn hatten, lebte Karl nach dem Zeugnis alter Biographen „fromm und anständig“. Weil seine Gesundheit durch die allzu anstrengende Arbeit litt, musste er sein Studium mehrfach unterbrechen. „Karl wird große Dinge tun und einst in der Kirche glänzen wie ein Stern!“, soll ein Professor der Universität ausgerufen haben, als Karl Borromäus 1559 mit höchster Auszeichnung zum Doktor beider Rechte promoviert wurde.
Seit einigen Jahren war er auch schon Verwalter der ausgedehnten Familiengüter. Durch seinen Onkel mütterlicherseits, Kardinal Giovanni Angelo Medici, erhielt er zwei weitere Abteien als Kommenden.
Am päpstlichen Hof
Wenige Wochen nach seiner Promotion wurde dieser Onkel als Pius IV. zum Papst gewählt (1559-1565). Er ernannte seinen Neffen Karl zum Geheimsekretär, später auch zum Kardinaldiakon und Administrator von Mailand. Zugleich war Karl Borromäus Apostolischer Protonotar, Großpönitentiar und Protektor verschiedener Orden und Staaten. Viele betrachteten mit großer Sorge (und wohl auch Neid), welch große Verantwortung der junge Mann zu tragen hatte. Doch erwies er sich allen Erwartungen und Pflichten gewachsen. Er verwaltete seine vielen Ämter mit Umsicht, Gerechtigkeit und einem feinen Gespür für die Belange der Seelsorge. Auch war er - im Gegensatz zu manch anderen Kirchenfürsten seiner Epoche - unbestechlich.
„Carlo Borromeo sah seine Stellung zum Papst, das Verhältnis, in das er hierdurch zu den wichtigsten Geschäften kam, nicht als ein Recht an, sich etwas zu erlauben, sondern als eine Pflicht, der er sich mit aller Sorgfalt zu widmen habe. Mit ebenso viel Ausdauer wie Bescheidenheit tat er dies.“ So urteilt Leopold von Ranke in seiner Papstgeschichte. Er war immer fromm und äußerst pflichtgetreu, wie der venezianische Gesandte Hieronimo Soranzo bezeugt: „Man weiß nichts anderes, als dass er rein von jedem Flecken ist. Er lebt so religiös und gibt ein so gutes Beispiel, dass er dem Besten nichts zu wünschen übrig lässt.“ Karl führte das Leben eines Renaissancefürsten, entspannte sich bei Schach und Ballspiel, liebte die Jagd, die Musik (er selbst spielte Cello) und besaß eine Kunstsammlung. In sein Haus lud er zu Dichterlesungen ein und nahm gern an festlichen Gelagen teil.
Lebenswende und Priesterweihe
Der plötzliche Tod seines geliebten Bruders Federigo 1562 veränderte das Leben des 24-Jährigen. „Dieser Schlag ist so schrecklich, dass keine menschliche Erwägung mich trösten kann ... Mehr als sonst etwas hat dieses Ereignis mich unser Elend und die wahre Seligkeit der ewigen Heimat fühlen lassen“, schrieb Karl. Er wandte sich einer streng asketischen Lebensweise mit Bußübungen und oftmaligem Fasten zu und entschloss sich, Priester zu werden. Am 17. Juli 1563 empfing Karl Borromäus die Priesterweihe und am 7. Dezember desselben Jahres die Bischofsweihe. Gleichzeitig bereitete er sich durch theologische Studien und Predigtübungen auf die Übernahme des Bischofsamtes in Mailand vor.
Im Dienst des Reformkonzils
Daneben führte Karl als Geheimsekretär die Korrespondenz mit den Legaten des Konzils von Trient (1545-1563) und leitete von Rom aus die Agenden eines Administrators von Mailand. Auf den recht weltlich gesinnten Pius IV. übte er einen günstigen Einfluss aus und bestärkte ihn im Willen zur Reform der Kirche und kirchlicher Institutionen. „Hauptträger des neues Geistes war Karl Borromäus, von dem der schon erwähnte Botschafter Soranzo berichtete: „Er stiftet für seine Person mehr Gutes am römischen Hof, als alle Dekrete des Konzils zusammen.“ Dass der 1538 geborene Karl die treibende Kraft des Konzils gewesen sei, ist freilich Legende und schon mit seinen Lebensdaten unvereinbar. Im Konklave nach dem Tod Pius IV. verhinderte Karl Borromäus die Wahl des geschäftstüchtigen und von Herzog Cosimo begünstigten Ricci, aber auch die von Farnese und setzte den Dominikaner Michele Ghislieri durch, der dann als Pius V. Papst wurde.
Erzbischof von Mailand
Sein erzbischöfliches Amt in Mailand trat er im September 1565 im Alter von 27 Jahren an. Die Zustände, die er antraf, waren höchst unerfreulich. Seit achtzig Jahren lag das Bistum Mailand im Argen. Die Kirchen waren verwahrlost, die Priester vernachlässigten ihre Amtspflichten, die Menschen waren glaubens- und sittenlos und verschiedenen Irrlehren verfallen. Unermüdlich widmete sich der junge Erzbischof dem Wiederaufbau seiner Diözese und der Hebung der Religiosität in Volk und Klerus. Zur Intensivierung der Seelsorge teilte er seine umfangreiche Diözese in zwölf Bezirke ein, an deren Spitze jeweils ein Kommissar seines Vertrauens saß. Vehement und konsequent setzte er sich für die kirchliche Reform und die Durchführung der Beschlüsse des Tridentinischen Konzils ein. Die „stählerne Folgerichtigkeit seines Wesens“ im Ausmerzen der Missstände, verbunden mit aufopfernder Hirtensorge und tiefer, streng asketischer Frömmigkeit machten ihn zum „Muster eines Tridentinischen Bischofs, in dem das Konzil gleichsam Fleisch und Blut annimmt“, schreibtLudwig von Pastor in seiner Papstgeschichte.
Reformen im Bistum Mailand
Zur Durchführung der Reformbeschlüsse des Konzils hielt Karl Borromäus elf Diözesan- und sechs Provinzialsynoden ab, die durch Pastoralinstruktionen und zahlreiche Verfügungen über die Verwaltung des Predigtamtes, die Spendung der Sakramente, die Ausstattung der Kirchen und die Vermögensverwaltung der 800 Pfarren des Bistums ergänzt wurden. Die Zusammenfassung seines Reformwerks erschien 1582 als „Acta ecclesiae Mediolanensis“. Es hatte Nachwirkungen in halb Europa. So bestellte z. B. Lyon davon hundert, Toledo elf Exemplare. Karl unterhielt einen umfangreichen Briefwechsel - seine Korrespondenz umfasst hundert Bände. Dabei wog er jede Anfrage sorgfältig ab und konsultierte Sachverständige, verfolgte aber die einmal getroffene Entscheidung mit Zähigkeit und Energie.
Schwierigkeiten und Widerstände
Karl hatte große Widerstände von Seiten des Welt- und Ordensklerus, besonders von Kanonikern aus hochgestellten Familien, sowie von mächtigen Adelsgeschlechtern zu überwinden. Es gab sogar Attentatsversuche! Mit dem spanischen Staatskirchentum lag er in dauerndem Kampf. Der aufrichtig religiöse, gewissenhafte, aber unnahbare spanische König Philipp II. (1556-98), der immer wieder in den kirchlichen Jurisdiktionsbereich eingriff, entschloss sich zur Annahme der Konzilsdekrete mit der einschränkenden Klausel „unbeschadet der königlichen Rechte“. Diese umfassten das Placet (die Zustimmung) für päpstliche Erlässe, das Recht, gegen Missbrauch der geistlichen Gewalt die weltliche anzurufen, die Selbstständigkeit der spanischen Inquisition und das Patronat in den Kolonien. Karl wehrte sich kraft seiner Stellung gegen die Einführung der unmenschlichen spanischen Inquisitionsmethoden und verteidigte die italienischen Belange gegen die fremden Machthaber. Es gab scharfe Konflikte mit den spanischen Vizekönigen. Dabei geriet Karl in eine äußerst schwierige Lage, da es zeitweise so schien, als ob Papst Gregor XIII., der auf Betreiben u. a. Philipps II. zum Papst gewählt wurde, sein schroffes Vorgehen gegen das spanische Staatskirchentum missbillige. Bei einer Reise nach Rom, wo der der „Eiferer“ von Mailand viele Gegner hatte, konnte er sich aber des päpstlichen Vertrauens versichern. Ein päpstliches Breve rechtfertigte den Erzbischof vor den mit seiner Strenge unzufriedenen Mailändern.
Religiöse Erneuerung durch Bildung
Seine besondere Sorge galt der Priesterausbildung. Er war einer der ersten Bischöfe, die für den Priesternachwuchs Seminare einrichteten. Außer dem Priesterseminar gründete er das Helvetische Kolleg für Priester, die in die protestantische Schweiz geschickt werden sollten (zu seinem Bistum gehörten auch drei fast durchwegs protestantische Täler im Kanton Graubünden), ein Seminar für Spätberufene und mehrere Knabenseminare. Für adlige Schüler errichtete er das „Collegio dei Nobili“ und stiftete jeweils ein Theatiner- und ein Jesuitenkolleg. An der Universität in Pavia eröffnete er das „Collegio Borromeo“ für mittellose Universitätsstudenten. Weiters stiftete Karl die „Oblaten vom hl. Ambrosius“, eine Genossenschaft von Weltpriestern. Auch die 1535 vom Priester Castellino da Castello eingerichteten Schulen der Christlichen Lehre (sie zählten im Jahre 1595 über 20.000 Schüler) erfreuten sich seiner Förderung. Weiters förderte er die ebenfalls 1535 gegründete „Bruderschaft vom Heiligsten Altarssakrament“ (als Antwort auf die Calviner in der Schweiz, die die reale Gegenwart Christi in der Eucharistie leugneten). 1577 führte er in Mailand das Vierzigstündige Gebet ein. Karl Borromäus gab auch einen Katechismus heraus und rief viele soziale Initiativen ins Leben: Schulen, Heime für „gefallene“ Mädchen, Waisenhäuser, Altersheime, Armenspitäler, Leihhäuser zur Bekämpfung des Wuchers, unentgeltliche Rechtshilfe für Mittellose. Seine persönlichen Mittel beanspruchte er dabei weit über seine Möglichkeiten hinaus. In solchen Situationen pflegte er zu sagen, dass es für einen Bischof besser sei, Schulden zu haben als Geld. Besonderen Wert legte er auf systematisch durchgeführte Pastoralvisiten, auch in den entlegensten Alpentälern seiner Diözese. Trotzdem fand er noch Zeit, auch Suffraganbistümer wie Bergamo als Apostolischer Visitator zu besuchen. 1570 besuchte er auch die Schweiz. Durch den persönlichen Kontakt mit dem Klerus und dem Volk konnte er am wirkungsvollsten die kirchliche Disziplin und Moral heben und Missbräuche bekämpfen: religiöse Unwissenheit im Volk, Konkubinat der Priester, abergläubische Praktiken und anderes mehr. Unwürdige Priester setzte er ab, verordnete dem Klerus eine einheitliche Kleidung und prüfte die Register über Taufe und Eheschließung.
In Zeiten von Hungersnot und Pest
1570 brach eine große Hungersnot aus. Monatelang speiste Karl täglich dreitausend Arme, rief den Adel und die Reichen zur Mithilfe auf und organisierte selbst Hilfsaktionen. Auch als im Sommer 1576 in Mailand die Pest ausbrach und alle, auch die Mitglieder der Stadtverwaltung, flohen, organisierte er persönlich die Hilfsmaßnahmen. Ohne Furcht vor Ansteckung tröstete er die Kranken, ließ neue Spitäler errichten und die Zustände in den alten verbessern. Er besorgte aus eigenen Mitteln und mit Spenden reicher Leute Kleider, Lebensmittel, Medikamente, Unterkünfte, Pflege und seelsorgliche Betreuung der Kranken. Zur Bekämpfung der Seuche (man nannte sie bereits „die Pest des hl. Karl“) erließ er eine Reihe von Vorschriften, die der Meinung und den Gebräuchen der damaligen Zeit weit überlegen waren. Als die Pest ihrem Höhepunkt entgegenging, unternahm er Bußgänge: barfuß, ein Kreuz in seiner Hand, aller Abzeichen seiner Würde entledigt, zog der Bischof durch die Straßen der Stadt. Eine Legende erzählt, dass er das Ende der Pest sah, weil auf sein Gebet hin ein Engel sein Schwert als Vorzeichen in die Scheide gesteckt hatte. Nach einem Jahr war die Seuche tatsächlich vorüber. Karl Borromäus und sein ganzes Haus blieben von ihr wunderbarer Weise verschont. Doch der zurückgekehrte Statthalter verklagte ihn in Rom: Er habe gegen die Anordnungen der weltlichen Behörde gehandelt, sei trotz Verbots in die Häuser der Pestkranken gegangen, habe auch seine Geistlichen hingeschickt und dadurch die Bewohner der Stadt gefährdet. Doch das Volk stand ganz auf seiner Seite und er fand in Rom Anerkennung und Rechtfertigung.
Tod und Begräbnis
Den Passionssonntag seines letzten Lebensjahres verbrachte Karl auf dem Monte di Varallo bei Novara in Gebet und Einkehr und legte eine Generalbeichte über sein Leben ab. Seine unermüdliche Tätigkeit, seine Selbstaufopferung in den Zeiten der Pest sowie seine strenge Askese hatten an seinen Kräften gezehrt. Nach einem schweren Fieberanfall starb er, erschöpft und von Krankheit gezeichnet, im Alter von nur 46 Jahren am 3. November 1584 in Mailand. „Siehe, Herr, ich komme“, waren seine letzten Worte. In den folgenden Tagen zog eine scheinbar nie zu Ende gehende Menschenschlange an dem aufgebahrten Erzbischof vorbei. Es gab ein solches Gedränge, dass man eine Wand durchbrechen musste, um einen Ausgang für die trauernden Massen zu schaffen. Beigesetzt wurde Karl Borromäus in der Krypta des Mailänder Doms. Bereits das erste Jahresgedächtnis seines Todes beging das Volk als hohen Feiertag. Sein Kult verbreitete sich rasch in ganz Europa. 1602 erfolgte die Seligsprechung, 1610 wurde er von Papst Paul V. heilig gesprochen. Die Heiligsprechungsbulle bezeichnet Karl Borromäus einen Märtyrer der Liebe, ein leuchtendes Beispiel für Hirten und Herde und einen Engel in Menschengestalt. 1613 wurde er in den römischen Kalender aufgenommen; sein liturgischer Festtag wird am 4. November gefeiert.
© Kamillianer 2012 - 2012 [Stand: 2012]zurück