Kamillianer
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Die Kirche und ihr Heilungsdienst

P. Frank Monks, Generaloberer der Kamillianer

P. General Frank Monks
P. General Frank Monks
 

Pater Anthony Francis Monks, 1941 in Irland geboren, lehrte moderne Sprachen, Religion und Pastoraltheologie. In der Ordenskonferenz von Irland war er Vorsitzender der Kommission für Gesundheitsfragen, anschließend Provinzial und Generalrat in Rom. Seit 2001 ist P. Monks Generaloberer des Kamillianerordens sowie Vorsitzender der Gesundheitskommission der Vereinigung der Generaloberinnen und Generalobern in Rom. Den folgenden Vortrag hielt P. Monks bei der Versammlung der Union der Generaloberen im November 2005.

1. Lehren, Taufen und Heilen gehören zusammen

Gesundheitsfürsorge galt schon immer und in gewissem Maß noch heute als zusätzlicher Dienst innerhalb der offiziellen Kirche. Die Kirche zeigte nicht immer Verständnis für die Möglichkeiten der Evangelisierung, die sich in der körperlichen Heilung eines Menschen als Anknüpfungspunkt für die Verkündigung der Frohbotschaft bieten. Die Verbindung Priester - Arzt, Priester - Krankenpfleger, Priester - Krankenhausverwalter ist meiner Erfahrung nach für viele Kirchenleute verwirrend. Wie viele Pastoralschreiben gibt es, die sich mit Themen der Gesundheitsfürsorge befassen? Der bekannte Moraltheologe Bernhard Häring stellte mit Recht fest, dass „die Theologie das Thema Heilung an den Rand, an die Peripherie der Dinge gedrängt hat. Die Christologie der Kirche hat dies übergangen, besonders in ihrer Heilsverkündigung”. Die Kirche war darum bemüht, das Sendungsgebot zu erfüllen - nämlich zu gehen und zu lehren, zu gehen und zu taufen. Aber sie zeigte sich nicht allzu sicher über das Wie der Ausführung dieses Auftrags, zu gehen und zu heilen. Sie beschränkte ihr Engagement oft auf eine karitativ-helfende Tätigkeit oder auf einen religiösen Beistand, vor allem als Vorbereitung auf den Tod. Die Kongregationen, die den Dienst der pastoralen Gesundheitsfürsorge wahrnehmen, versuchen, das „messianische Zeichen der Heilung” erneut zur Wirkung kommen zu lassen, indem sie die therapeutische Dimension der Evangelisierung hervorheben, was bedeutet, Jesu Verhalten gegenüber den Kranken neu zu gewichten, das weit über die sakramentale Vorbereitung auf ein gutes Sterben hinausgeht.

Was das Evangelium sagt

Vielleicht übersehen auch wir allzu leicht die zentrale Rolle der Krankenheilungen im Leben Jesu. Hören wir auf die Worte Jesu selber. Auf seinem Weg zurück zu seinem Dorf waren die Bewohner verwirrt und fragten, wer dieser Mensch wohl sei. Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns, der Sohn unserer Nachbarin Maria? Als Antwort ging Jesus in die Synagoge, öffnete die Schriftrolle bei Jesaja und las: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe” (Lukas-Evangelium 4,18). Anderswo, bei Matthäus, lesen wir: „Johannes hörte im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen Anderen warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet ...” (Matthäus-Evangelium 11,1-5).

Was wir aus diesem Abschnitt lernen, ist, dass für Jesus die Hauptelemente seines Dienstes Predigen und Heilen waren. Jesus sagte nicht nur, dass Heilen ein unabdingbarer Teil seines Dienstes sei, sondern er lebte diesen Auftrag täglich: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden” (Matthäus 4,23). Tatsächlich handeln 50 Prozent des Markus-Evangeliums von Jesus, wie er sich den Kranken und Leidenden zuwendet.

Es ist offensichtlich: Jesus wollte all dies fortgesetzt wissen als integrales Element des Dienstes seiner Nachfolger: „Dann rief er die Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und die Vollmacht, alle Dämonen auszutreiben und die Kranken gesund zu machen. Und er sandte sie aus mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen” (Lukas 9,1-2). Und genau so verstanden die ersten Jünger ihren Dienst, denn das ist genau das, was sie taten: „Die Zwölf machten sich auf den Weg und wanderten von Dorf zu Dorf. Sie verkündeten das Evangelium und heilten überall die Kranken” (Lukas 9,6).

 
Dr. Jacques Simporé
Pater Jacques Simporé, Molekularbiologe und Lepraspezialist in Burkina Faso in Westafrika.

Der Heilungsdienst ist nicht etwas Zusätzliches, das die Kirche tun kann oder auch nicht, sie ist nicht nebensächlich in Bezug auf andere pastorale Dienste, sie ist vielmehr integraler Teil der Sendung der Kirche. Und trotzdem haben die meisten Diözesen keine Infrastruktur für Gesundheitsfürsorge. Die Päpstliche Kommission für Krankenpastoral wurde erst vor sehr kurzer Zeit, vor 20 Jahren, gegründet und wir sind sehr ermutigt durch diese Gründung und dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. sehr dankbar für sein großes Interesse für diesen Bereich des kirchlichen Dienstes.

So betrachten wir Ordensleute, die sich mit Gesundheitsfürsorge befassen, uns als privilegiert, in der Welt der Kranken und Leidenden engagiert zu sein, denn dies bedeutet, dass wir im Herzen des Dienstes Christi sind - in der Caritas/Liebe in ihrer ganz praktischen Gestalt.

2. Der gemeinsame Kampf gegen Aids

Eine zweite große Herausforderung für uns ist die Überwindung der Zersplitterung, die im Moment unter uns existiert: Wir möchten mit einer einzigen Stimme sprechen und eine neue Kultur der Zusammenarbeit und Gemeinschaft aufbauen. In einem afrikanischen Land stellen Christen zum Beispiel 40 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung, haben aber keine Stimme und müssen ihre Kämpfe mit mageren Ergebnissen auf individueller Basis austragen. Das ist unsere eigene Schuld.

 
Aids-Zentrum der Kamillianer in Burkina Faso
Das Aids-Zentrum der Kamillianer in Burkina Faso.

Angesichts dieser Tatsache wollen wir als Erstes ein Strategisches Internationales Treffen einberufen zur Bestandsaufnahme der Arbeit der katholischen Ordensgemeinschaften und anderer Organisationen auf dem Gebiet von HIV und Aids.

 
Pater Giovanni Contarin
Kamillianerpater Giovanni Contarin, Koordinator der Aids-Hilfe in Thailand.

Aids ist eine globale Pandemie, da Schätzungen zufolge über 40 Millionen Menschen mit HIV leben. Die katholische Kirche ist im Kampf gegen diese Seuche vermutlich am stärksten engagiert, vor allem durch die Arbeit von Ordensschwestern, Brüdern und Priestern. Aber unser Engagement hat viele Grenzen wie:

So ist es die erste allgemeine Aufgabe, die Wirksamkeit der Institutionen zu verbessern, die die katholische Kirche eingerichtet hat als Antwort auf die globale Pandemie von HIV und Aids.

 
Aids-Zentrum der Kamillianer in Thailand
Wenigstens ein Platz für ein menschenwürdiges Sterben: im Aids-Zentrum der Kamillianer in Thailand.

Als zweites wollen wir eine Umfrage vorbereiten, durchführen und auswerten über die von Ordensleuten unternommenen Aktivitäten als Antwort im Blick auf die Bedrohung von HIV und Aids.

Demnächst werden wir zusammenkommen und ein Konzept entwickeln, um die Situation bezüglich der Reaktion der katholischen Kirche und der mit ihr verbundenen Organisationen zu analysieren und eine Umfrage zu planen. An diesem Treffen werden führende Ordensfrauen und Ordensmänner teilnehmen, die sich mit der HIV/Aids-Problematik befassen.

Weitere Schritte: Durchführung der Umfrage, Erstellung einer „Übersicht” („Mapping”) von HIV- und Aids-Projekten der katholischen Kirche, Auswertung der Erkenntnisse und Planung der sich daraus ergebenden Schritte.

Dies soll in Partnerschaft mit der Gesundheitskommission, UNAIDS und der Internationalen Caritas geschehen. Wir sind in der glücklichen Lage, eine erfahrene Comboni-Schwester dabei zu haben, Maria Martinelli, eine Ärztin, die viele Jahre hindurch Afrika selbst erlebte und dort ihre Erfahrungen machte. Sie wurde von ihrer Kongregation für dieses Projekt freigestellt.

3. Leid und Krankheit als Chance zur Evangelisierung

Wir sind berufen, durch unsere Arbeit das Evangelium in verschiedenen Kulturen zu verkünden und das besonders in unserer westlichen Kultur, die täglich säkularer wird.

die Kinder der Aids-Kranken in Bangalore/Indien
Die Kamillianer in Indien haben eine große Aufklärungskampagne über Aids gestartet.

• Das Krankenhaus ist eine Tür, die für die Kirche noch immer offen ist. Wöchentlich gehen mehr Menschen durch die Pforte eines großen Krankenhauses als in einem ganzen Jahr durch eine Kirchentür ins Gotteshaus. Niemand kommt darum herum, ein Krankenhaus zu besuchen, sei es als Patient oder als Angehöriger.

• Der Tod ist eines der wenigen Ereignisse, die den modernen Menschen noch schrecken können. Wenn der Mensch mit Krankheit konfrontiert wird, beginnt er sich fundamentale Fragen im Blick auf seine Existenz zu stellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Schmerz nicht immer negativ ist, sondern eine außerordentliche Chance bieten kann. „Krankheit kann die Rolle eines Propheten annehmen, der den Träumer wach rüttelt. Krankheit ist eine Kollision mit menschlichen Grenzen, eine rohe und kompromisslose Erinnerung an die Wirklichkeit menschlicher Endlichkeit und an die Vergeblichkeit des Jagens nach einem irdischen Paradies. Krankheit zwingt den kranken Menschen, sich mit der Realität des Menschseins auseinanderzusetzen. Und durch die kranke Person konfrontiert die Krankheit unsere Gesellschaft mit einem Zeichen des Widerspruchs, eine Herausforderung an die Wahrheit” (Bowman, The Importance of Being Sick”, Seite 35). In dieser Auseinandersetzung kann der engagierte, überzeugte und informierte Christ viel anbieten mit einer Theologie des Kreuzes, die etwas sehr Wertvolles beizutragen hat. Karl Rahner sagt dies sehr schön, wenn er feststellt, dass der Trost der Zeit „der Glaube ist, dass das Leben gut abzuschließen auch bedeutet, sich selbst ganz zu gewinnen, mit allem, was man war und getan hat, sowohl in der Kraft als auch in der Schwachheit”.

Aidsheim im Kloster - Peru
Im ehrwürdigen Kamillianerkloster in Lima in Peru ist eine Aids-Station eingerichtet, die sich vor allem an junge Mütter wendet.
 

• Das Leid, das der moderne Mensch erfährt, ist nicht immer körperlicher oder rein emotionaler, sondern vielmehr geistiger Art. Oft ist er Agnostiker oder Atheist; dann ist sein Leiden mehr geistiger Natur als religiöser Natur. Wie können wir dem begegnen?

Der Welt mit Offenheit begegnen

Christen antworten auf vielerlei Weise auf eine säkularisierte Welt. Da gibt es Menschen, die mit Zorn oder Feindseligkeit reagieren. Diese Art der Reaktion basiert oft auf Angst und verwendet eine Sprache, die sehr negativ ist und mit Christentum wenig zu tun hat. Andere antworten mit einem gedankenlosen Liberalismus, mit einer intellektuellen Miene, wo alles kritiklos und unüberlegt akzeptiert wird - eine Form der Bestätigung, dass das Christentum nichts mehr zu sagen oder beizutragen hat. Man fragt sich, wo denn die prophetische Stimme der Kirche bleibt. Wenn eine Kultur genau so ist wie die andere, bedarf es keiner weiteren Unterscheidung. Der Jesuit Michael Paul Gallagher erinnert an einen anderen Zugang gibt, nämlich den des hl. Paulus (Apostelgeschichte 17,16). Anfänglich war Paulus befremdet über das Verhalten der Menschen in Athen, aber dann zeigt er, dass er ihren Hunger nach geistigen und echten religiösen Werten erkennen und schätzen lernte. Wenn wir der Kultur unserer Zeit mit Ablehnung begegnen, lassen wir uns auf eine sinnlose Aktivität ein, die obendrein auch falsch ist. Wir sollten vielmehr das Gespräch beginnen, den Dialog. In der Welt der Gesundheit können wir nichts anders tun als uns zu deklarieren, da wir oft mit ganz wesentlichen Fragen des Lebens konfrontiert werden.

Das führt mich zu einer weiteren großen Herausforderung für Ordensleute in der Welt der Gesundheit, in der es um Vermenschlichung geht - das große Gebiet der Humanisierung. Viele seelische und körperliche Leiden werden erreicht, berührt und geheilt, nicht so sehr durch die konkrete Therapie, sondern durch die Art und Weise, wie die Therapie verabreicht wird. Die große Ärztin Cecily Saunders pflegte zu sagen: „Die Art und Weise, wie therapiert wird, kann die verborgensten Orte erreichen”. Es geht im Grund um eine große Wissenschaft, die mit Mitgefühl angewandt wird, im Bewusstsein, dass „Pflege ohne Fürsorge entmenschlicht”, wie mir eine erfahrene Krankenschwester aus Kenia einmal sagte.

4. Gefordert: eine Ausbildung auf der Höhe der Zeit

Aids-Broschüre
Über 40 Millionen Aids-Kranke weltweit - das ist zurzeit die größte Sorge des Kamillianerordens.
 

Wir alle sind uns der „Fundgrube” bewusst, die die Bioethik für kirchliche Mitarbeiter heute bedeutet. Seit Jahren reden wir davon, dass in den wissenschaftlichen Laboratorien und medizinischen Forschungszentren still und leise die Philosophie der Zeit bestimmt wird, aber nur wenige haben darauf gehört. Nun ist die Kirche in dieser Hinsicht hellhöriger geworden, wird aber leider oft nur als reaktionär angesehen und einzig auf die schwierigen Fragen konzentriert, die mit dem Beginn und dem Ende des menschlichen Lebens zu tun haben. Das ist uns eine große Sorge. Es ist nicht leicht, die kirchliche Lehre auf bestimmte Themen anzuwenden, wenn es in Situationen äußerster Armut um Leben und Tod geht. Pastorale Praxis und das große Leid der unterernährten und leidenden Menschenmassen bereiten uns schlaflose Nächte. Nur allzu oft sind wir hier auf unser pastorales Einfühlungsvermögen verwiesen.

Das unterstreicht ganz einfach die Notwendigkeit einer anderen Art von Ausbildung. Das ist eine große Herausforderung. Man kann nur auf die internationalen Gremien einwirken, wenn man die Tatsachen kennt und weiß, wie man zu diesen Fakten kommen kann. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen Vorbereitung und Erfüllung im Beruf.

Wir Kamillaner haben versucht darauf zu reagieren durch die Gründung des Camillianums in Rom, unser Institut für Krankenpastoral, sowie von vielen weiteren studienorientierten Pastoralzentren in aller Welt. Sicher haben die andern Kongregationen ihre eigenen Antworten darauf. Aber oft wissen wir gar nicht, was die Andern tun. Wir müssen uns mehr austauschen, gegenseitig unterstützen und unsere Ressourcen stärker fördern.

Unsere Arbeit in der Gesundheitsfürsorge können wir niemals ausführen ohne enge Zusammenarbeit mit den Laien. Angesichts der abnehmenden Zahl von Ordensleuten und der Überalterung in der westlichen Welt wird dies heute wichtiger denn je. Aber wir müssen uns auch der Wirklichkeit stellen, dass sich die Glaubenssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren eigenen Institutionen drastisch verändert hat. Ganz allgemein betrachtet, haben wir viele Funktionen an unsere weltlichen Kolleginnen und Kollegen delegiert. Unsere Herausforderung besteht darin, diese weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten und auch unser Charisma an sie weiterzugeben.

Pater Anthony Francis Monks

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© Kamillianer 2006 - [Stand: 17.11.2008]css