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Rosabianca Carpene,
Präsidentin der weltweiten
Kamillianischen Familie:
Rosabianca Carpene,
Präsidentin der weltweiten Kamillianischen Familie:
In der Zeit nach der Generalversammlung habe ich über die Aufgaben nachgedacht, die ich seit kurzem übernommen habe, und über das Leben unserer Gemeinschaft. Ein Gedanke begleitet mich, den ich mit euch teilen möchte. Es geht um die Kommunikation unter uns, um den Austausch unter uns von der Kamillianischen Familie. Die Kamillianische Familie gibt es auf der ganzen Welt: Wie können wir es machen, dass unsere Gedanken, unsere Überlegungen, die eine Hilfe für die Aus- und Fortbildung und eine Ermutigung für das Leben sind, alle Mitglieder erreichen? Wir leben in sehr unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Umgebungen, die sich sehr von einander unterscheiden, in verschiedenen persönlichen, sozialen und kirchlichen Situationen und auch in einer eigenen Originalität. Welche „Worte“ können wir uns sagen, welche „Sprache“ ist unter uns möglich?
Ich denke, dass mir viele antworten werden und sofort sagen, dass es die Sprache der Liebe ist, die uns eint, die Harmonie und Verständnis schafft nicht nur unter uns, sondern unter allen Menschen. Ich glaube aber, dass wir es notwendig haben, dem Anderen ins Angesicht zu schauen, ihn, seine Welt, in der er lebt, seine Realität, kennen zu lernen, ihn zu hören. Dieses Kennen, begleitet von der Liebe, befreit uns von Vorurteilen und vorgefassten Meinungen, die unseren Weg auch im Dienste der bedürftigen Menschen behindern.
Das Wort Gottes bietet uns häufig „den Schlüssel“ für unsere alltägliche menschliche Erfahrung. Ich möchte Euch einen Hinweis auf diese Erfahrung geben, die jeder von Euch schon im eigenen Leben gemacht haben kann oder die wir noch erleben können: Es geht um die nochmalige Lektüre der Geschichte von der Teilung, der Trennung, die uns im Buch Genesis im Kapitel 11 in der Geschichte vom „Turmbau zu Babel“ berichtet wird. Hier macht der Mensch die Erfahrung der Trennung und der Teilung, im Gegensatz vom Bericht in der Apostelgeschichte Kapitel 2, wo die Menschen, die offenkundig aus verschiedenen Völkern kamen, als sie am Pfingsttag die Apostel reden hörten, sich erstaunt fragten: Wieso kann jeder von uns in seiner Muttersprache hören, wie sie die Großtaten Gottes verkünden, obwohl sie doch in verschiedenen Sprachen reden.
Dies sagt uns wahrhaftig, wie das Zusammenstehen im Namen Gottes, das Hineinstellen des Wortes Gottes in den Mittelpunkt unseres Lebens, mitten unter uns, wenn wir uns treffen, unsere erste Antwort ist. Dass wir dabei nicht nur persönlich, sondern auch gemeinschaftlich das Gute sehen, unser Gutsein gemeinsam mit dem Guten derer, die uns nahe stehen. Auf diese Weise können wir lernen, das Leben eines jeden Menschen als einen Wert anzunehmen, indem wir die Würde eines jeden anerkennen, seine Rechte anerkennen und respektieren. Wir wissen uns vor dem leidenden Menschen zu verneigen, bestärkt auch durch die Mitgliedschaft und Zugehörigkeit zur Kamillianischen Familie.
Der Herr der Welt „vollbringt Wunder“: mit jeder solidarischen und dienstbereiten Geste können wir entsprechend unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten in unserem Leben von den Wundern erzählen, die der Herr wirkt, trotz allem, trotz der großen Schwierigkeiten und Probleme, die wir auch in unserer Zeit erleben. Alle, die an Christus glauben, sind erfüllt und getragen von der großen Hoffnung, welche das Heil ist, das Christus in diese Welt gebracht hat für alle Menschen aller Zeiten. Wir sind berufen, unsere Antwort zu geben, jeder entsprechend seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten, indem wir Zeugnis geben für die Liebe und Güte des Herrn zu allen Menschen, besonders zu den Leidenden, den Kranken und den Einsamen. Unsere Berufung hat uns auf einen besonderen Weg geführt, eine Weise, unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe auszudrücken, die unser Leben beseelen: die kamillianische Spiritualität.
Etwas möchte ich euch über die Spiritualität sagen.
Wenn wir das Statu der Kamillianischen Familie lesen, finden wir Stichworte für eine Vertiefung und einen Austausch - auch in den Gruppen - über das, was das Fundament des Lebens eines Menschen ist, der sich entschieden hat, in der Kamillianischen Familie zu leben. Da heißt es zum Beispiel in Artikel 1: „Die Kamillianische Familie ist eine Vereinigung, die diejenigen zusammenführt, die sich als Laien berufen fühlen, die in der Taufe angenommene Verpflichtung zu leben, indem sie von der Liebe Christi zu den Kranken und Leidenden Zeugnis geben - gemäß dem Charisma, das der hl. Kamillus von Lellis erhielt und das er dem von ihm gegründeten Orden übermittelt hat“. Ich möchte einige Worte aus diesem Artikel 1 unterstreichen:
„... Die in der Taufe angenommene Verpflichtung leben ...“
Es geht in erster Linie darum, das Geschenk der Taufe anzunehmen, das ein Geschenk für ein neues Leben ist, eines vom Herrn „geretteten“ Lebens. Wahrscheinlich haben die meisten von uns die Taufe als Kleinkinder empfangen. Aber wie wir uns entsprechend ernähren müssen, um physisch zu wachsen, so müssen wir es auch für das geistliche Leben tun. Um als Erwachsene das Leben aus dem Glauben zu leben, müssen wir das Leben des Geistes nähren und pflegen durch das Gebet, die Teilnahme an den Sakramenten, an der Katechese, am Gemeinschaftsleben der Kirche, in der Arbeit und in unserer Familie. Nur so können wir als Erwachsene unsere persönliche Berufung in der Gemeinschaft der Glaubenden leben.
„... Zeugnis geben von der Liebe Christi ...“
Die Liebe des Herrn kommt uns zuvor, sie erreicht uns immer in unserem Leben und ist nach der Lehre Christi und seiner Jünger Fundament des christlichen Lebens. „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe!“ Das ist die höchste Aufgabe, die wir in unserem Leben erhalten haben. Jeder trifft auf persönliche Weise Christus und bringt in seinem Leben das zum Ausdruck, was er als Geschenk erkannt und angenommen hat. Jeder findet und entfaltet eine eigene Art und Weise, die eine Spiritualität des Evangeliums zu leben, die jedoch auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene verschieden verwirklicht wird und die dann zu verschiedenen Spiritualitäten werden, die im Laufe der Jahrhunderte sich in der Kirche zum Wohle aller entfaltet haben. Die verschiedenen Spiritualitäten, die es heute in der Kirche gibt, drücken die verschiedenen Möglichkeiten für den Glaubenden aus, Jesus nachzufolgen, das eigene Leben einzubringen, entsprechend den eigenen Fähigkeiten und dem eigenen Empfinden. Auf diese Weise wird jeweils ein Aspekt des „einzigen Antlitzes Christi“ zum Ausdruck gebracht, dem jeder im Laufe seines Lebens begegnet, auch durch die Begegnung und durch den Dienst am Nächsten.
„... Gemäß dem Charisma des hl. Kamillus …“
Wir gehen einen Schritt weiter in der Definition der Identität unserer Mitgliedschaft der Kamillianischen Familie. Wie gesagt, ist die Spiritualität einmalig, sie muss aber in die konkrete menschliche, soziale, berufliche, familiäre und kirchliche Situation übertragen werden, in der jeder zu leben berufen ist. Es ist dies die Art, unter der Einwirkung des Geistes zu leben, ein Leben des ganzheitlichen Glaubens, wo der Geist Jesu Christi in der Alltäglichkeit des Lebens aufleuchtet. Die Spiritualität, die aus dem Charisma des hl. Kamillus von Lellis entstanden ist und auch heute gegenwärtig ist, ist auch von den Laien erkannt und angenommen worden. Und zwar von solchen, die sich berufen fühlen, diese „Berufung“ persönlich zu leben, sich an die Seite der kranken, armen und leidenden Brüder und Schwestern zu stellen, indem sie ihnen dienen, zuhören, sie in ihrem Leid annehmen und ihre Sorgen mit ihnen teilen. Dies ist unsere Art, die Gegenwart des Herrn unter uns zu erweisen und uns für das Zeugnis seiner Barmherzigkeit und Güte zu allen Geschöpfen einzusetzen. Die kamillianische Spiritualität hat einen klaren Bedeutungsinhalt: Sie drückt unsere Verbindung mit dem Herrn und mit den Brüdern und Schwestern aus, sagt etwas über die Beziehung zu den Menschen, denen wir begegnen, über die Fähigkeit, am Leiden der Kranken Anteil zu nehmen, indem wir auf das hören, was ihr Leben uns erzählt. Niemals gehen wir indifferent am Leiden vorbei, am Leid, dem wir begegnen. Auch wir sind Kranke und leiden an Verwundungen. Wir können uns anderen nähern, indem wir unsere eigenen Verwundungen annehmen. Auf diese Weise können wir zur Heilung der Wunden der anderen beitragen, die Schmerzen von ihnen nehmen, und das Öl des Trostes auf ihre Wunden legen.
Wir sind überzeugt, dass Gott in der ganzen Heilsgeschichte an jedem geographischen Ort der Welt gegenwärtig ist wie an jedem geistlichen Ort, und das ist das Herz des Menschen. Jeder Ort ist heilig, denn er ist bewohnt von Gott. In gleicher Weise ist jeder Mensch heilig, denn Gott wohnt in ihm. Ich glaube, dass jeder von uns darüber viel nachdenken kann, was es bedeutet, dass Gott in jedem Menschen gegenwärtig ist, besonders in den Leidenden und Armen.
Mit dieser Überzeugung und mit dem Auftrag, allen Brüdern und Schwestern mit aufmerksamen Engagement zu begegnen, sende ich Euch auch im Namen der ganzen Zentralkommission einen herzlichen Gruß. Ich wünsche, dass er Euch alle erreicht, Eure Familien, alle Menschen, denen ihr begegnet, die Kamillianer, mit denen ihr zusammenarbeitet. Mit dem Gruß sende ich auch den Wunsch, dass Ihr im Juli ein schönes Kamillusfest feiern könnt, ein Fest der Brüderlichkeit untereinander, mit den Kamillianern und mit den Kranken. Möge der hl. Kamillus Euch bestärken, dass Ihr mit Freude fortfahren könnt, Euer Versprechen und den Dienst an den Kranken zu leben.
Verona, am 14. Juni 2008
An den Brief schließe ich einige Nachrichten an und eine Anfrage
Verona, am 15. Juni 2008
(Übersetzung aus dem Italienischen: Pater Leonhard Gregotsch)
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